Der „Leistenbruch“ (Leistenhernie, Hernia inguinalis) stellt die wohl prägnanteste Ursache von Schmerzen und einer Raumforderung im Leistenbereich dar.

Definition

Stechende, bewegungseinschränkende Schmerzen in der Leiste sind oftmals akut auftretende, starke Symptome, die häufig ein- aber ebenfalls beidseitig lokalisiert sein können. Oftmals sind sie auf ein auslösendes Ereignis, meistens eine Bewegung, zurückzuführen, die zu einer Verletzung (Läsion) der Leistenstrukturen geführt hat. Eine Schwellung der Leiste kann jedoch auch ohne begleitende Schmerzsymptomatik auftreten.

Synonyme und artverwandte Begriffe

  • Schmerzende Leisten
  • Leistenbruch, Leistenhernie (Hernia inguinalis), Schenkelhernie (Femoralhernie)

Englisch: Inguinal pain, swollen inguen, swollen inguinal region
Inguinal hernia, femoral hernia

Überblick

Die Leiste des Menschen (Inguen) bezeichnet den anatomischen Übergangsbereich vom Rumpf zu den unteren Extremitäten und ist im seitlichen Bereich des Unterbauches am Übergang zum Oberschenkel (Femur) lokalisiert. Sie wird mittig vom Schambereich sowie seitlich durch die beiden Beckenkämme (Spina iliaca anterior superior) begrenzt. Die Leistenregion beherbergt den muskulo-faszialen Ursprung der Bauchdecke sowie die den Rumpf mit dem Oberschenkel verbindenden Muskelstränge (M. iliopsoas und M. quadriceps femoris) das Leistenband, Faszienstränge, Lymphknoten, die großen Gefäße (Arteria/Vena femoralis) sowie viele wichtige Nervenäste zur Versorgung der unteren Extremitäten.

Des Weiteren befindet sich dort eine ausgeprägte Gefäß-Nervenstraße (Canalis inguinalis, Leistenkanal), die den menschlichen Genitalbereich mit dem kleinen Becken im Unterbauch verbindet. Beim Mann verläuft in ihm der Samenstrang (Funiculus spermaticus), bei der Frau wird er vom Mutterband (Ligamentum teres uteri) durchzogen. Da in der gesamten Inguinalregion die Muskulatur relativ schwach ausgeprägt und vornehmlich durch bindegewebige Faszienstränge ersetzt ist, fehlen bei Belastung stützend und festigend wirkende muskuläre Strukturen, was diesen Bereich anfällig für strukturelle Vorfälle (Prolapse) variabler Art machen kann.

Ursachen

Beim Leistenbruch kann die Gewebearchitektur der vorderen unteren Bauchwand auftretenden Kräften nicht ausreichend entgegenwirken und gibt nach, man spricht von einer „Bruchpforte“. Es können dabei in Bauchfell (Peritoneum) eingefasste Darmanteile durch diese Bruchpforte treten und eine sichtbare Volumenzunahme unter der Haut verursachen. Dies bezeichnet man als „Bruchsack“. Die Leistenhernie kann entweder angeboren oder durch Überbelastung bei Bewegung (beispielsweise dem schnellen Anheben schwerer Gegenstände, starkem Husten, Erbrechen, Übergewicht oder bei einer Schwangerschaft) erworben sein. Je nach dem, welchen Weg der Bruchsack genommen hat, unterscheidet man zwischen einer inneren und einer äußeren Hernie. Bei letzterer bildet der Eingeweidesack eine deutliche Vorwölbung nach außen. Äußere Hernien sind Leistenhernien (Hernia inguinalis), Nabelbrüche (Hernia umbilicalis) oder Schenkelhernien (Hernia femoralis). Innere Hernien, wie beispielsweise die Hiatushernie (betrifft das Zwerchfell) mit einem nach innen vorgewölbtem Bruchsack treten deutlich seltener auf.

Zudem unterscheidet man bei äußeren Leistenbrüchen noch zwischen indirekten und direkten Hernien:

  • Indirekte (auch: laterale) Leistenhernien sind charakterisiert durch eine seitlich auf Höhe des Hüftknochens liegende Bruchpforte, durch die der Darminhalt über die innere Öffnung des Leistenkanals in diesen vordringt. Von dort kann der Bruchsack mit den Eingeweiden durch den Leistenkanal in Richtung der Genitalorgane wandern. Gegebenenfalls kann er sogar Hodensack oder Schamlippen erreichen. Diese Form des Leistenbruchs ist meistens durch eine Fehlentwicklung im Zuge des fetalen Bauchdeckenverschlusses angeboren und betrifft Männer häufiger als Frauen.
  • Direkte (mediale) Leistenhernien zeichnen sich durch eine mittig liegende Bruchpforte aus, bei der der Bruchinhalt annähernd senkrecht direkt durch die Bauchwand dringt. Er durchzieht also nicht den Leistenkanal. Diese Art Leistenbruch ist stets erworben und durch eine Bindegewebsschwäche oder Operationsnarben in diesem Bereich bedingt.

Begleitsymptome von Leistenbrüchen sind neben der Schwellung oftmals in die Genitalregion ausstrahlende Schmerzen, die sich bei Beinbewegung, beim Stuhlgang sowie beim Husten, Niesen oder Pressen verstärken. Sollten zu den starken Schmerzen Übelkeit und Erbrechen auftreten, kann dies einen chirurgischen Notfall bedeuten, da möglicherweise Darmanteile eingeklemmt sind.

Neben dem klassischen Leistenbruch als Ursache von Schmerzen im Inguinalbereich können folgende Erkrankungen hinzu gezählt werden:

  • Leistenbandzerrung
  • Läsion oder Kompression von dort verlaufenden Gefäßen oder Nerven
  • Hüftgelenksentzündungen (Arthritis coxae), häufig begleitet von äußerlich feststellbarer Erwärmung, Rötung, Schwellung, sowie Druckschmerzhaftigkeit. Die Schmerzen sind häufig bereits in Ruhe vorhanden.
  • Degenerative Verschleißprozesse (Arthrose) im Hüftgelenk. Hierbei ist der sogenannte „Anlaufschmerz“ besonders in den Morgenstunden sowie nach längerer Immobilisation charakteristisch.
  • Knochenbrüche (Frakturen) induzieren meist belastungsabhängige Leistenschmerzen.
  • Während der weiblichen Menstruation können ebenfalls ziehende Schmerzen in der Leiste sowie dem Unterbauch auftreten. Hervorgerufen werden sie in diesem Falle durch starke Kontraktionen der Gebärmuttermuskulatur.
  • Abszesse und Entzündungen, meist sind auch geschwollenen Leistenlymphknoten vorhanden
  • Urologische Störungen: Harnwegsinfekt, Prostatitis, Harnsteine
  • Pathologische Hodenveränderungen, wie Wasseransammlung (Hydrozele) oder Krampfaderbildung im Hodenbereich (Varikozele)
  • Gynäkologische Ursachen, beispielsweise die gutartige Wucherung der Gebärmutterschleimhaut (Endometriose), Gebärmuttermyome
  • Maligne Tumoren: Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom), Eierstockkrebs (Ovarialkarzinom), Prostatakarzinom, Hodenkarzinom
  • Blockade des Iliosakralgelenks (Kreuz-Darmbein-Gelenk): charakteristisch ist ein ausstrahlender Schmerz in Leisten- und Rückenregion
  • Spinalkanalstenosen (Kompression der dort verlaufenden Nervenwurzeln) durch Traumata, Verlegung durch raumfordernde Wachstumsprozesse (Tumoren, z.B. Neurinom)
  • Wachstumsschmerzen

Was Sie selbst tun können

Kontaktieren Sie Ihren Arzt, wenn Sie unter akut bewegungsabhängigen (bewegungsassoziierten) stechenden Schmerzen im Leistenbereich leiden, bereits länger dumpfe Schmerzen dort verspüren, Sie oben genannte Begleiterscheinungen beobachten können oder eine Schwellung im Leisten- oder Genitalbereich bemerkt haben.

Hilfe durch den Spezialisten

Je nach Spezifität der Symptomatik kann ausgehend von einem Gespräch mit Ihrem Arzt eine weitere detaillierte Diagnostik bei verschiedensten Fachmedizinern erfolgen. Hierzu gehören:

  • Internist, Chirurg
  • Orthopäde
  • Urologe
  • Gynäkologe

Was Sie bei Ihrem Arzt erwartet

Bevor Ihr Arzt mit einer Untersuchung beginnt, findet ein einführendes Gespräch (Anamnese) über Ihre aktuellen Beschwerden statt. Im Rahmen dessen befragt er Sie ebenfalls zu zurückliegenden Beschwerden und eventuell bestehenden Erkrankungen.

Mit folgenden Fragen können Sie rechnen:

  • Seit wann bestehen die Symptome? Gab es ein auslösendes Ereignis?
  • Können Sie eine genaue Charakterisierung der Schmerzen und Lokalisation vornehmen?
  • Treten lagerungsbedingt Verschlimmerungen oder Verbesserungen auf?
  • Unter welchen weiteren Symptomen leiden Sie?
  • Litten Sie bereits schon einmal daran?
  • Bestehen aktuell Vorerkrankungen? Wenn ja, welche sind dies und werden diese derzeit therapiert?
  • Nehmen Sie Medikamente ein?
  • Sind Ihnen Allergien bekannt?

Untersuchungen (Diagnostik)

Neben der Anamnese, Inspektion (Sichtdiagnostik) und Palpation (Befühlen) der Leistenregion werden bildgebende Verfahren wie die Sonografie, Röntgendiagnostik, Computertomografie (CT) und Magnetresonanztomografie (MRT) angewandt, um verdrängende Prozesse, wie Tumoren, Frakturen, Fehlstellungen oder Leistenbrüche darstellen zu können.

Parallel wird Ihr Arzt eine Blutabnahme und eine Urinprobe verordnen, um einen Überblick über Ihren allgemeinen Gesundheitszustand und eventuell vorliegende entzündliche Prozesse zu erlangen.
Ebenfalls stehen zur detaillierten Ursachendiagnostik weitere invasive Verfahren zur Verfügung, die Ihr Arzt Ihnen bei Bedarf genauer erklären wird.

Behandlungen (Therapie)

Bei Leistenbrüchen ist die Operation das Mittel der Wahl. Hierzu stehen verschiedene Methoden zur Verfügung, über die Sie Ihr Arzt aufklären wird. Je nach Reponibilität, d.h. der Möglichkeit den Bruchsackinhalt wieder in den Bauchraum zurück zu verlagern, kann es sich jedoch um einen medizinischen Notfall (inkarzerierte Hernie) handeln, der sofort operativ versorgt werden muss, um dem Verlust von Darmgewebe durch mangelnde Durchblutung vorzubeugen.

Bei alternativer Diagnose wird sich Ihr Arzt zunächst um eine Schmerz- und Entzündungsreduktion bemühen, um dann ursachenorientiert zu behandeln.

Zur Schmerzreduktion stehen dazu neben physikalischen Maßnahmen wie Kälte- oder Wärmeapplikation, wirksame Schmerzmedikamente (Analgetika) zur Verfügung:

  • Lokal antientzündlich und schmerzlindernd wirkende Pharmaka in Form von Salben oder Pflastern
  • Systemisch ansetzend sind nicht-steroidale Entzündungshemmer (non-steroidal anti-inflammatory drugs, NSAID’s): Acetylsalicylsäure (ASS), Ibuprofen, Diclofenac
  • Systemisch wirkende Cortisonpräparate
  • Antirheumatika (Disease-modifying anti-rheumatic drugs, DMARD’s), wie Chloroquin, Sulfasalazin, D-Pencillamin, Leflunomid
  • Bei starken Schmerzen können Morphin- oder hochwirksame Opioidderivatgaben (Fentanyl, Tramadol, Tilidin mit Naloxon) hilfreich sein

Vorbeugung (Prävention)

Präventiv ist eine Vorbeugung von Leistenbrüchen nur begrenzt möglich. Die Reduktion von Übergewicht, stärkendes Bauchmuskulaturtraining können förderlich sein. Achten Sie auf alle Fälle darauf, schwere Gegenstände nicht alleine zu heben.

Prognose

Ein operativ behandelter Leistenbruch heilt in der Regel bei günstigem Verlauf ohne Komplikationen aus.

Komplikationen sind möglich, wenn ein Leistenbruch mit einer Quetschung der Eingeweide (Inkarzeration) einhergeht, da eingeklemmtes Darmgewebe absterben kann. Die Entzündungsreaktion kann über das Bauchfell (Peritoneum) auf den gesamten Bauchraum übergreifen.

Ein Rezidiv, d.h. ein erneutes Wiederauftreten eines Leistenbruchs, kann in fünf bis zehn Prozent der Fälle vorkommen.

In seltenen Fällen können bei einem Leistenbruch folgende Komplikationen auftreten:

  • Beim Mann: Bei der Operation eines Leistenbruches kann es zur Durchtrennung des Samenleiters (Ductus deferens) sowie zur Verletzung der Hodengefäße kommen.
  • Einengung der großen Beinvene durch den Bruchsack kann eine Thrombenbildung verursachen. Dabei besteht die Gefahr, dass sich jener Thrombus herauslöst und mit dem Blutstrom in die Lunge gelangt (Lungenembolie). In seltenen Fällen, bei einem Loch in der Scheidewand des Vorhofs des Herzens kann ein abgerissener Thrombus (Embolus) auch in andere Organe, z.B. ins Gehirn (paradoxe Embolie) gelangen und dort einen Schlaganfall verursachen.
  • Verletzung von Darm oder Blase
  • Wundinfektionen
  • Nervenkompression durch Narbenbildung kann zu chronischen Schmerzen oder Missempfindungen führen.

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